– Urt. v. 26.01.2022, Az. 6 A 7.19 –
6. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig
26.01.2022
Beteiligte:
- Klägerin 1 (K1): Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH
- Klägerin 2 (K2): MIR Multimedia GmbH
- Beklagte: Bundesrepublik Deutschland (handelndes Organ: Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI))
Daten:
- BMI leitet am 01.02.18 ein vereinsrechtliches Verfahren gegen den Mezopotamien Verlag und den MIR Musikvertrieb ein -> Durchsuchung und Beschlagnahmung
- Februar 2019: Verbotsverfügung und erneute Durchsuchung
- 03.2019 Klageerhebung durch K1 und K2
Kernvorwurf: Verlag und Musikvertrieb seien Teilorganisationen der seit 1993 in Deutschland verbotenen PKK
Inhalt des Verbotes: K1 und K2 seien Teil der PKK. Die beiden GmbHs werden aufgelöst, ihre Kennzeichen, ihr Internetauftritt, Ersatzorganisationen verboten. Ihre Produkte (Bücher, CD´s, Fahnen, usw.) und Unterlagen werden beschlagnahmt und gesichert.
Anträge:
- Klägerinnenseite: Aufhebung des Verbots und der Beschlagnahmungen
- Beklagtenseite: Abweisung der Klage
Mündliche Verhandlung
Zulässigkeit:
Die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt sich aus § 50 I Nr. 2 VwGO. Die anderen formellen Voraussetzungen liegen unproblematisch vor.
Begründetheit:
Prüfungsmaßstab: Liegt bei den Klägerinnen eine Teilmitgliedschaft der PKK gemäß § 3 III 1 VereinsG vor?
Formelle Rechtmäßigkeit
1. Ist die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf die Klägerinnen möglich?
Klägerinnen: Die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes sei fraglich. Es handele sich bei K1 und K2 jeweils um einen Einzelkaufmann als Geschäftsführer und dieser solle als Einmann-GmbH behandelt werden. § 17 VereinsG sei im Falle einer Einmann-GmbH nicht anwendbar und die Klägerinnen fielen nicht unter das Vereinsgesetz.
Beklagte: Bei K1 und K2 handele es sich jeweils um eine GmbH. Dass es nur einen Gesellschafter gebe, sei kein Ausschlussgrund, dass § 17 VereinsG nicht zur Anwendung komme. Zudem verweist die Beklagtenseite auf den Wortlaut unter dessen Definition K1 sowie K2 fallen. Die Mitarbeitenden würden gemeinsam mit dem Geschäftsführer den Verein bilden.
2. Unvollständiger Verwaltungsvorgang, § 99 VwGO
Der Vorsitzende Richter, aber auch der Berichterstatter und eine Beisitzerin rügen das BMI dafür, dass der Verwaltungsvorgang des BMI unvollständig sei. Es liege keine vollständige, chronologische Aktenführung vor. Auf Nachfrage bejaht die Beklagtenseite, dass sie alles abgegeben habe.
Klägerinnen: Diese Tatsache entfalte durchaus Relevanz im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit und der Beweiswürdigung.
Beklagte: Das BMI beobachte Vereine nicht durchgängig, da dies nicht Teil seiner Verwaltungsvorgänge sei. Somit sei es mithin auf alte Unterlagen angewiesen. Nach kurzer Beratung mit anderen anwesenden Mitarbeitenden des BMI wird ferner die elektronische Aktenführung als Grund für die möglicherweise unvollständige Aktenführung angegeben.
Der Vorsitzende Richter hält die Argumentation des BMI für wenig einleuchtend. Er appelliert an dieses, es solle in Zukunft vollständige und chronologische Akten bei Gericht einreichen. Für dieses Verfahren entfalte der unvollständige Verwaltungsvorgang jedoch keine materiell-rechtliche Wirkung.
3. Ausgelassene Anhörung, § 28 VwVfG
Der Vorsitzende Richter wirft die Frage auf, wie damit umzugehen sei, dass eine Anhörung im Zuge der Beschlagnahmung und des Verbotes durch das BMI entfallen sei. Es sei erst durchsucht, dann das Vereinsverbot erlassen und dann erneut durchsucht worden.
Klägerinnen: Die Durchsuchung könne ausreichen, dass noch ein Überraschungseffekt bestünde. Zudem sprächen Rechtsstaatsgründe für die Notwendigkeit der Anhörung.
Beklagte: Die Voraussetzungen einer Ausnahme seien gegeben und Ermittlungen, die ergebnisoffen waren, lagen vor. Ein Ermittlungsverfahren in einem solchen Fall habe nicht die gleiche Ankündigungswirkung.
Materielle Rechtmäßigkeit
1. Inhaltliche Anknüpfung an PKK-Verbot von 1993 noch möglich?
Klägerinnen: Es wird die Frage aufgeworfen, ob es im Jahre 2018 – also 25 Jahre nach dem Verbot der kurdischen Arbeiter*innenpartei PKK in Deutschland – noch möglich sei, inhaltlich an dieses anzuknüpfen und auf dieser Grundlage K1 und K2 als Teilorganisationen der PKK zu verbieten.
Gegen die Möglichkeit einer solchen Anknüpfung führt die Klägerinnenseite an, dass die Verbotsverfügung zwar noch rechtliche Wirkung entfalte, da sie diese erst verliere, wenn der Verwaltungsakt aufgehoben wird. Jedoch habe es in den letzten 25 Jahren innerhalb der PKK zahlreiche Umstrukturierungen gegeben, sodass das Verbot im Jahre 2018 keine Grundlage mehr für das Verbot von K1 und K2 sein könne. So gebe es unter anderem nicht mehr jene vertikale Struktur innerhalb der Partei, die eine Weisungsgebundenheit angeblicher Teilorganisationen ermöglichen würde. Auch gebe es in den aktuellen Berichten des Verfassungsschutzes kaum Hinweise auf eine Vielzahl von Straf- und Gewalttaten von möglichen PKK-Aktivist*innen in Deutschland. Die Anzahl der Taten habe somit sowohl in Quantität als auch in Qualität in den letzten 25 Jahren abgenommen. Auch Versammlungen mit kurdischem Bezug würden friedlich verlaufen. Die Voraussetzungen für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit seien somit nicht mehr gegeben.
Beklagte: Es gebe durchaus jährlich noch einige Urteile von Oberlandesgerichten und sogar vom BGH bezüglich Straftaten, die von Mitgliedern und Aktivist*innen der PKK begangen würden. Außerdem sieht der Anwalt des BMI diejenigen Einträge von Straf- und Gewalttaten im Bericht des Verfassungsschutzes, die es noch gibt, als Bestätigung dafür, dass das PKK-Verbot immer noch notwendig sei. Des Weiteren bedeute ein möglicher Rückzug von PKK-Aktivist*innen in Deutschland nicht zwingend, dass diese keine Gefahr mehr für die öffentliche Ordnung darstellen könnten.
2. Beeinträchtigung der Verteidigung, § 100 VwGO/ Beweismittelverwertbarkeit
Klägerinnen: Die Verwertbarkeit der Beweismittel sei teilweise schwierig. Die Beklagte sei im Besitz sämtlicher Asservate (vor allem der Geschäftsunterlagen sowie Produkte der Klägerinnen), sodass die Klägerinnenseite erschwert darauf zugreifen konnte. Erschwerend komme hinzu, dass es an einer vernünftigen Aufstellung des Beschlagnahmten sowie einer inhaltlichen Übersicht der Bücher und CD´s fehle. Zwar habe es die Möglichkeit der Einsichtnahme gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Klägerinnen gegeben, jedoch handele es sich um einen Raum mit ca. 50-60 Umzugskisten. Es sei also nicht zumutbar gewesen diese alle durchzugucken und dafür mehrere Tage anzureisen. Wichtig für die Klägerinnenseite seien insbesondere Rechnungen über Produkte als Belege für den Geschäftsbetrieb und eine Aufstellung von Büchern, um die Vielzahl und Vielfalt an unterschiedlichen Werken zu beweisen, gewesen. Hierbei verweist sie auf § 100 VwGO. Zudem führt die Klägerinnenseite an, dass die Übersetzung der Beweismittel zum Teil fragwürdig sei und auch die Qualifikation oder Identität der Übersetzer*innen teilweise unklar bliebe.
Beklagte: Es handele sich um Unterlagen der Klägerinnen, die diese kennen müssten. Zudem hätten die Klägerinnen weitere Termine vereinbaren können, um Einsicht zu nehmen. Die Klägerinnenseite nenne auch kein konkretes Beispiel für Entlastendes, was sich unter den Asservaten befinde. Es bestünde eine Bücherliste des Verlages selbst, die als Auflistung der Medien dienen könne.
Die Klägerinnenseite solle ein konkretes Beispiel für eine fehlerhafte Übersetzung nennen.
3. Zulässigkeit der einheitlichen Behandlung der Klägerinnenparteien
Klägerinnen: Es werden getrennte Steuerklärungen abgegeben; beide Klärgerinnen haben getrennte Büroräume; es gebe keine personellen Überschneidungen; es werden unterschiedliche Computersysteme durch die Klägerinnen verwendet; die Klägerinnen haben generell unterschiedliche Geschäftsbereiche.
Beklagte: Die Klägerinnen haben den gleichen Geschäftsführer und teilen sich eine Geschäftsadresse.
Das BVerwG behandelt K1 und K2 in ihrem Urteil getrennt.
4. Kernproblem: Mezopotamien-GmbH und MIR Multimedia GmbH als Teilorganisation der PKK?
a) Personelle Verflechtung
Beklagte: Die beiden GmbHs seien personell mit der PKK verflechtet. Hierbei bezieht sich das BMI auf die Mitarbeitenden sowie den Geschäftsführer, die PKK-Mitglieder/Aktivist*innen oder der PKK ideologisch nah seien. Es gebe Behördenzeugnisse, die eine PKK-Mitgliedschaft diverser Mitarbeitender der K1 und K2 belegen würden. Hierfür führt die Beklagtenseite verschiedene Beispiele an. Es gebe Belege, dass die Mitarbeitenden der Klägerinnen an verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen hätten, die PKK-organisiert oder PKK-nah gewesen seien, wie der kurdische Nationalkongress. Als Beweis hierfür diene der Aufbau der Veranstaltungen, die Personen, die als Redner*innen eingeladen wurden und PKK-nah seien, sowie PKK-Flaggen auf einigen Veranstaltungen. Die Mitarbeitenden hätten zum Teil auch selbst Reden auf diesen Veranstaltungen gehalten. Eine Person sei bei einer solchen Veranstaltung als „kurdischer Politiker“ aufgerufen worden. Zudem hätten sich Mitarbeitende an einer Busreise unter dem Motto „Freiheit für Abdullah Öcalan“ beteiligt. Als weitere konkrete Veranstaltung nennt die Beklagte eine Teilnahme eines Mitarbeiters an einer Gedenkfeier bezüglich verstorbener Kurd*innen, die das Wort der „Märtyrer“ benutzt habe, was PKK-Jargon sei. Insgesamt seien es keine offenen Konferenzen/ Diskussionen gewesen, sondern nur PKK-nahe Personen und PKK-freundliche Aussagen seien willkommen gewesen. Bei einzelnen Mitarbeitenden sei auch eine Aktivität bei der PKK in der Vergangenheit bekannt. Zudem seien die Künstler*innen der K2 auf PKK-Veranstaltungen aufgetreten. Auch der Anwalt des Geschäftsführers habe andere Mandant*innen vertreten, die PKK-Mitglieder seien.
Als weiteres Beweisstück sei eine Festplatte in der Wohnung des Geschäftsführers gefunden worden, die Daten der PKK enthalte. Der Besitz jener Informationen weise daraufhin, dass der Geschäftsführer selbst PKK-Mitglied und in die Struktur der PKK eingegliedert sei.
Klägerinnen: Eine mögliche ideologische Nähe bedeute noch keine Überschneidung mit Aktivitäten der PKK. Sie liege vielmehr in der Natur der Sache, da die PKK eine kurdische Partei sei und die Klägerinnen im kurdischen Kulturbereich tätig seien. Auch seien nicht alle Teilnehmer*innen am kurdischen Nationalkongress auch PKK-Mitglieder. Der Vorwurf des bloßen Auftretens bei derartigen Konferenzen würde eine Kontaktschuld zugrunde legen. Eine solche sei aber mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren. Ferner seien einige der Veranstaltungen, die das BMI genannt hatte, gar keine Veranstaltungen der PKK. So sei das Kurdistan-Musikfestival beispielsweise eine genehmigte kurdische Veranstaltung gewesen. Es sei abwegig, jede Veranstaltung mit Bezug zur kurdischen Kultur gleich als Veranstaltung der PKK auszulegen. Es gebe somit keine konkreten Beweise dafür, dass Mitarbeitende der Klägerinnen PKK-Aktivist*innen seien. Selbst wenn einige wenige Mitarbeitende PKK-Mitglieder wären, so könne dies dennoch nicht unmittelbar als Beweis für die Eigenschaft der Klägerinnen als Teilorganisationen der PKK gedeutet werden. Denn nicht jede Freizeitaktivität von diesen können den Klägerinnen zugerechnet werden.
Dem Geschäftsführer sei die genannte Festplatte vollkommen unbekannt. Er wisse auch nicht, wie diese in seine Wohnung gelangt sei. Auch seien dem Verfassungsschutz keine Tätigkeiten des Geschäftsführers mit Bezug zur PKK bekannt.
Zudem dürfe nicht aus der Tatsache, dass der Anwalt des Geschäftsführers auch mögliche PKK-Mitglieder als Mandant*innen hatte, darauf geschlossen werden, dass die Klägerinnen Teilorganisationen der PKK seien. Es sei mehr als fernliegend, dass sich ein*e Mandant*in das Verhalten eines*einer anderen Mandanten*Mandantin desselben Anwalts zurechnen lassen müsse.
Die durch das BMI vorgelegten (teilweise qualifizierten) Behördenzeugnisse wären nicht ausreichend belegt. Es würden schon Beamtenaussagen als Begründung für eine PKK Mitgliedschaft ausreichen.
b) Organisatorische Verflechtung
Beklagte: Der Vertrieb und teilweise die Produktion von Büchern und Zeitschriften sowie PKK-Devotionalien, (teilweise) verbotenen Fahnen, Banner, Wimpel, Schlüsselanhänger, Guerilla-Kinderkampfanzüge (= Propagandamaterial) geschehe durch K1. K1 sei wirtschaftlich abhängig von der PKK (Nachfragemonopol) und daraus würde eine Weisungsgebundenheit folgen. Zudem seien die Klägerinnen organisatorisch in die Struktur der PKK eingegliedert und würden der Verbreitung von Propagandamaterial dienen, die der europäischen PKK helfen würden, Einfluss auf Kurd*innen zu nehmen. Aus ausgefüllten Vordrucken für Monatsfinanzberichte gehe hervor, dass die Klägerinnen dem PKK-Vorstand rechenschaftspflichtig seien und ihm somit unterstehen würden. Die Möglichkeit der Weisungsgebundenheit reiche aus.
K2 solle die Rechtsnachfolgerin der zuvor insolvent gegangenen Teilorganisation der PKK sein. Es würden die Anschrift, Telefonnummer übernommen und Urheberrechte an die K2 abgetreten worden sein.
Klägerinnen: Die im Auto der K1 beschlagnahmten Fahnen im Februar 2019 lassen sich nicht dem Geschäftsführer zuordnen. Das Verwenden der YPG-, YPJ- und PYD-Kennzeichen ist in Deutschland nicht per se verboten. (BayObLG, Urteil vom 01.12.2020 – 206 StRR 2713/19)
Durch die Abtretung von Urheberrechten lasse sich noch keine Nachfolge im vereinsrechtlichen Sinne begründen. Zudem liege kein Beweis für eine Rechenschaftspflicht der Klägerinnen gegenüber der PKK vor. Insbesondere K1 bediene einen spezifischen Markt in Bezug auf kurdische Kulturgüter und es sei nicht vermeidbar, dass auch PKK-Mitglieder bei ihr einkauften. Der Geschäftsführer wisse nicht, wo die verbotenen Fahnen herkommen, und entschuldigt sich, dass diese durch seine GmbH in Umlauf gebracht wurden. Er habe nicht den Überblick über alles, was seine Mitarbeitenden machen.
c) Finanzielle Verflechtung
Beklagte: Bei Durchsuchungen wurden Monatsfinanzierungsberichte in Geschäftsräumen gefunden. In Höhe von 25.000 Euro sollen K1 und K2 Zuschüsse erhalten haben. Ohne die finanzielle Unterstützung der PKK-Dachorganisation stünden K1 und K2 vor der Insolvenz. Das BMI folgert aus der finanziellen Abhängigkeit (durch die Subvention) eine Weisungsgebundenheit. Die Klägerinnen hätten Rechenschaftsberichte/Finanzberichte erstellt (3-mal). Die finanzielle Verflechtung folge somit einmal daraus, dass die Klägerinnen finanziell abhängig seien. Zudem würden sie die PKK aber auch finanziell unterstützen. Dies ergebe sich daraus, dass der Verlag für die PKK Propagandamaterial verbreite und sie so weniger Ausgaben für diese Zwecke und damit Ersparnisse hätten. Zudem würden die Klägerinnen der PKK Steuervorteile ermöglichen.
Einer der Hauptvorwürfe in der ursprünglichen Verbotsverfügung des BMI war der Vorwurf der Verschleierung von Zahlungen der PKK an Klägerinnen durch falsche Rechnungen von Standverkäufen (die bei diversen Veranstaltungen von den Klägerinnen betrieben wurden). Eine ähnliche Behauptung gilt bei der Vermittlung von Künstler*innen durch K2. Mittlerweile wurde dieser Vorwurf aber hauptsächlich aufgegeben.
Klägerinnenseite: Es sei zunächst unklar, woher die Beklagte überhaupt die Informationen bezüglich regelmäßiger Zahlungen nehme. Lediglich eine Zahlung sei belegt. Weitere Zahlungen würden aus den Monatsfinanzberichten der EMB nicht hervorgehen. Außerdem sei eine Subvention noch kein Beweis für eine Rechenschaftspflicht oder Weisungsgebundenheit.
Ferner ergebe es keinen Sinn, dass die Klägerin zugleich zum einen von der PKK finanziell unterstützt werden soll und ohne diese Unterstützung nicht existenzfähig sei und zum anderen dazu dienen soll, die PKK zu finanziell zu stützen. Dies stelle einen Zirkelschluss dar.
Es würden keine Zahlungen von der PKK-Dachorganisation an die K1 und K2 verschleiert, Kassenabrechnungen bei mehreren CD-Verkäufen wurden zusammengefasst und passen zeitlich zu den Standverkäufen.
Auch der Vorsitzende Richter weist auf den Widerspruch der finanziellen Unterstützung und Abhängigkeit hin, die nicht gleichzeitig bestehen könne.
5. Verhältnismäßigkeit
a) Betroffene Grundrechte
Fraglich ist, ob der Schutzbereich der Grundrechte erfasst ist oder nicht.
Klägerinnen: Es lägen Verletzungen von
Art. 10 EMRK Meinungsfreiheit
Art. 11 EMRK Versammlungs-/ Vereinigungsfreiheit
Art. 5 I S. 2, II, III GG Kunstfreiheit, Pressefreiheit, Berufsfreiheit -> Wechselwirkung zu Art. 5 II, III zu beachten nachträgliche Zäsur
Art. 9 I, II GG Vereinigungsfreiheit
vor.
Beklagte: Auf die Presse- und Kunstfreiheit können sich nur Vereinigungen berufen, die nicht verfassungsrechtlich verboten sind. Die Voraussetzungen der Schutzbereiche müssten erfüllt sein und das sei nicht der Fall, da eine Eingliederung in die PKK vorliege. Wenn Vereinigungen verboten sind, seien die Verlage miterfasst, sodass das Grundrecht des Art. 9 GG nicht greife.
Das BVerwG verneint die Eröffnung der Schutzbereiche durch die Bejahung der Teilorganisationseigenschaft der Klägerinnen und sieht keinen ungerechtfertigten Eingriff in Grundrechte, sodass K1 und K2 nicht in Rechten verletzt seien.
b) Gibt es mildere Mittel?
Klägerin: Das Verbot einzelner Veröffentlichungen könne als milderes Mittel dienen.
Beklagte: Es gebe kein milderes Mittel, da es die einzig effektive Variante sei, den Verlag und den Musikvertrieb zu verbieten. Die PKK sei weiterhin tätig und nähme weiterhin Einfluss auf kurdische Personen, sodass es geboten sei, dies zu unterbinden. Fahnen hätten beispielsweise einen stark emotionalisierenden Effekt. Die Klägerinnen seien wesentliche Instrumente bei der Mitgliedergewinnung der PKK und das sei ein gewichtiges Argument. Es gebe zudem eine Vielzahl von strafrechtlichen Prozessen mit PKK-Bezug, die den Hintergrund der Dringlichkeit bilden. Ein Vorgehen gegen einzelne Handlungen habe nicht den gleichen Effekt.
Würde man alternativ alle Bücher einzeln betrachten und verbieten und immer vor der Veröffentlichung neuer Bücher deren Erlaubnis prüfen, handle es sich hierbei um Zensur und um einen großen Aufwand, der nicht machbar sei. Deshalb sei kein milderes Mittel ersichtlich und das Mittel des Verbotes geboten.
Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot der Mezoptamien Verlag und Vertrieb GmbH und der MIR Multimedia GmbH als Teilorganisationen der PKK am 26.01.2022 bestätigt.
Die PKK unterhalte in Europa von PKK-Funktionären geleitete Firmen und Institutionen, einschließlich ihres eigenen Medienwesens, um ihre Ziele durchzusetzen, ihre Ideologie zu verbreiten und um neue Mitglieder zu rekrutieren. In diese Strukturen seien die Klägerinnen, organisatorisch, finanziell und auch personell eingegliedert, sodass sie insgesamt als Teilorganisationen der PKK anzusehen seien.
Dem Verlag komme dabei überwiegend die Aufgabe der Produktion und des Vertriebes von PKK-Propagandamaterial zu. Es sollen unter anderem PKK-nahe kurdische Vereine in Deutschland beliefert werden. Ferner könne der Verlag ohne Zuschüsse der PKK-Europaführung seine Geschäftstätigkeit nicht finanzieren und sei dieser gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Der Geschäftsführer des Verlags gehöre zu den PKK-Funktionären.
Die Musikproduktionsfirma schaffe einen kurdischen Musikmarkt und unterstütze durch die hiermit generierten Einnahmen die PKK finanziell. Sie schalte in einem TV-Sender PKK Werbung und sponsore Großveranstaltungen des Dachverbandes der kurdischen Vereine in Deutschland, die die PKK für die Verbreitung ihrer Ideologien nutze. Des Weiteren leiste der Musikvertrieb gegenüber der PKK-Europaführung Rechenschaft hinsichtlich ihrer Einnahmen und Ausgaben.
Bedenken aus verfassungsrechtlicher Sicht gegen das Verbot sieht das Bundesverwaltungsgericht nicht.
Die vollständige Pressemitteilung kann hier nachgelesen werden: https://www.bverwg.de/de/pm/2022/10
Ausblick
Die Klägerinnen haben angekündigt gegen das Urteil des BVerwG Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens sollte jedoch in jedem Fall eine interessensgerechte Lösung gefunden werden, wie in Zukunft mit dem größten Archiv kurdischer Kultur umgegangen wird, das sich bei den Klägerinnen zur Verwahrung befunden hat und ebenfalls beschlagnahmt wurde.