Prozessbericht zu der versuchten Kriminalisierung des Versammlungsleiters zweier Soli-Kundgebungen mit Rojava

– Amtsgericht Leipzig Verhandlung am 25.05.2022 –

Am 24.05.2022 wurde am Amtsgericht Leipzig über die Strafbefehle gegen den Versammlungsleiter zweier Solidaritätskundgebungen mit Rojava aus den Jahren 2020 und 2021 verhandelt. Der Versammlungsleiter legte gegen beide Strafbefehle Widerspruch ein.

Erster Vorwurf 

Im ersten Fall wurde dem Versammlungsleiter von der Staatsanwaltschaft, vertreten durch Staatsanwältin Franke, vorgeworfen, eine Versammlung am 19.07.2020 wesentlich anders als angezeigt durchgeführt zu haben. Dies wäre gem. § 26 Nr. 1 SächsVersG strafbar. Die Demonstration sollte mit einer Abschlusskundgebung am kleinen Wilhelm-Leuschner-Platz enden. Während der Demonstration soll eine teilnehmende Person ein Abbild von Abdullah Öcalan gezeigt haben. Abdullah Öcalan war einer der Mitgründer der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die seit 1993 in Deutschland gem. § 18 S. 2 VereinsG verboten ist. Das Bildnis Abdullah Öcalans wird von Gerichten als Kennzeichen der PKK gesehen, sodass das öffentliche Zeigen seines Konterfeis gem. § 20 I Nr. 5 VereinsG verboten ist.

Als sich die Person, die das Konterfei gezeigt haben soll, von der Abschlusskundgebung entfernte, versuchten Polizist*innen ihre Identität festzustellen. Daraufhin, so lautete der Vorwurf, soll der Angeklagte die Versammlung angestachelt haben, die Identitätsfeststellung zu behindern.

Zeugenaussagen

Der erste Zeuge, der Einsatzleiter an diesem Tag, bekräftigte wenig überraschend die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Bei den genaueren Ausführungen wurde es jedoch konfus. Zunächst legte er dem Angeklagten Worte wie „Alle dahin!“ in den Mund, um dann auf Nachfrage zu sagen, er wisse den genauen Wortlaut nicht mehr, um anschließend zu sagen, er konnte nicht verstehen, was der Angeklagte gesagt habe, es könne auch etwas auf dessen Landessprache gewesen sein. Außerdem konnte er nicht genau sagen, wo sich der Angeklagte zu dem Zeitpunkt, als sich Leute in Richtung der Identitätskontrolle bewegt haben, genau befunden hatte.

Beim zweiten Zeugen, einem Beamten der Versammlungsbehörde, wurde deutlich, dass er wenig Erinnerung an den Tatvorgang hat. Er sagte aus, die Identitätskontrolle habe in Richtung Polizeiwache in der Dimitroffstr. stattgefunden, im Widerspruch zum ersten Zeugen, der diese in Richtung Innenstadt verortet hatte. Außerdem äußerte er sich positiv zur Kooperationsbereitschaft des Versammlungsleiters.

Zweiter Vorwurf 

Im zweiten Fall soll der Angeklagte eine Versammlung am 25.04.2021 durchgeführt haben, ohne diese, obwohl es möglich gewesen wäre, angemeldet zu haben. Dies wäre gem. § 27 Nr. 2, 14 Sächs VersG strafbar. Vom 23.04. auf den 24.04.2021 hat die Türkei kurdische Gebiete angegriffen. Der Angeklagte wollte eine Spontanversammlung vor Ort bei der Polizei anmelden und gab dafür seine Personalien. Später kam dann der Strafbefehl, eine unangemeldete Versammlung durchgeführt zu haben. Die Zeugen wären hier ebenfalls zwei Polizist*innen gewesen, die aber im Endeffekt nicht befragt wurden. In beiden Fällen hätte die Landtagsabgeordnete Frau Nagel aussagen sollen, sie ist nicht zum Gerichtstermin erschienen.

Aufgrund der ohnehin schwierigen Beweislage und der Tatsache, dass die Zeugenaussage von Frau Nagel eine zentrale Rolle spielen würde, diese aber den Angeklagten entlasten würde, wurden beide Verfahren eingestellt.

Dies zeigt, dass bereits die Anklageerhebung äußerst fragwürdig erscheint, wenn das Verfahren dann vor Gericht eingestellt wird, ohne dass zum 2. Fall überhaupt die Zeugen gehört werden und auf die zentrale Aussage von Frau Nagel verzichtet wird. Es scheint, als wäre den Beteiligten von Anfang an klar gewesen, dass die Vorwürfe haltlos sind. Es wird der Eindruck erweckt, über einen Strafbefehl Leute kriminalisieren zu wollen, die sich politisch engagieren, in der Hoffnung, dass sie keinen Widerspruch eingelegen.

Ausblick

Zwar wurden die Verfahren eingestellt, dennoch verbleibt eine emotionale und finanzielle Belastung beim Angeklagten. Erneut wurde versucht, die kurdische Bewegung und insbesondere den Versammlungsleiter zu kriminalisieren und einzuschüchtern. Wird ein Versammlungsleiter derart haltlos für Sachen belangt, führt das dazu, dass sich immer weniger Leute trauen, Versammlungen anzumelden.